Interview

Interview mit Susanne Ruoff, Konzernleiterin

Die Post ist seit letztem Jahr keine Anstalt des Bundes mehr, sondern eine Aktiengesellschaft. Frau Ruoff, was bedeutet das für die Grundversorgung?

Susanne Ruoff: Die Post hat vom Bund neu je einen Grundversorgungsauftrag für Postdienste und für Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs. Beide erfüllen wir in hochstehender Qualität und aus eigener Kraft. Wir bieten den Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz nach wie vor das europaweit dichteste Netz von Zugangspunkten und insbesondere von eigenen Poststellen sowie in jeder Ortschaft mindestens einen Briefeinwurf. Wir stellen Briefe und Zeitschriften an sechs statt an den gesetzlich verlangten fünf Tagen zu. Dabei übertreffen wir die Vorgaben des Gesetzgebers.

Wie steht es um die Qualität der Leistungen?

Letztes Jahr wurden 97,6 Prozent der A-Briefpost pünktlich zugestellt. Bei der B-Post waren es sogar 98,8 Prozent aller Briefsendungen. Bei den Paketen erzielten wir ähnlich hohe Resultate.

Die neue Eidgenössische Postkommission PostCom attestiert der Post in ihrem ersten Tätigkeitsbericht eine sehr gute Qualität. Die Bevölkerung zeige sich mit den Dienstleistungen zufrieden. Das ergeben auch die Resultate unserer Kundenumfrage, bei der wir mit insgesamt 80 von möglichen 100 Punkten über dem Vorjahreswert von 79 Punkten liegen. Im Paketmarkt behaupten wir uns seit Jahren dank der Qualität unserer Leistungen gegen starke Konkurrenz. Wie eine Studie zur Preisentwicklung und zur Qualität von 15 europäischen Postdienstleistern ergeben hat, ist die Post zudem mit ihren Preisen sehr gut positioniert. Mit anderen Worten: Die Schweizerinnen und Schweizer profitieren von einer Topdienstleistungsqualität zu günstigen Preisen.

Hat die Post neue Angebote für ihre Kundinnen und Kunden entwickelt?

Interessant für unsere Kunden ist sicher der Ausbau unserer Dienstleistungen im Wachstumsmarkt E-Commerce, wo wir ihnen neue, innovative Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette anbieten. Zudem entwickeln wir eine elektronische Briefplattform. Dahinter steht unsere Vision, dass jede Bewohnerin und jeder Bewohner der Schweiz in Zukunft entscheiden kann, ob er seine Post als physischen Brief aus Papier oder in elektronischer Form auf seinen Computer, sein Tablet oder sein Handy erhalten will. Seit Ende letzten Jahres testen unsere Mitarbeitenden dieses Produkt und wir sammeln nützliche Erfahrungen. Damit reagieren wir auf den rasanten Wandel im Kommunikationsverhalten unserer Kundinnen und Kunden.

Wie hat sich das Kundenverhalten denn verändert?

Das veränderte Kundenverhalten geht Hand in Hand mit der technologischen Entwicklung, die jeden Lebens- und Wirtschaftsbereich erfasst hat. Ein wachsender Teil unserer Kunden ist dauernd online, kommuniziert über elektronische Kanäle und will Dienstleistungen sofort und überall beanspruchen. Sie pflegen einen mobilen Lebensstil, der sich unter anderem in neuen Arbeitsformen ausdrückt. Wichtig ist ihnen ein hoher Grad an Selbstbestimmung und Individualität.

Was bedeutet dieses veränderte Kundenverhalten für die Post?

Es bedeutet beispielsweise, dass wir die Dienstleistungen der Grundversorgung den neuen Bedürfnissen anpassen müssen. So haben wir in den letzten Jahren unser Angebot an Agenturen mit längeren Öffnungszeiten ausgebaut und dafür in der Kundenumfrage 2013 signifikant bessere Noten erhalten. Als Folge des veränderten Kundenverhaltens sinken unsere Briefmengen allerdings weiter um jährlich 1 bis 2 Prozent, ebenso gehen die Einzahlungen am Schalter zurück. Die elektronischen und mobilen Dienstleistungen von PostFinance erfreuen sich hingegen zunehmender Beliebtheit, und wir profitieren vom Boom des Onlinehandels, der uns kontinuierlich steigende Paketmengen bringt. Unsere Strategie zielt darauf ab, unser Kerngeschäft zu verteidigen und wo immer möglich Wachstumsmöglichkeiten zu schaffen.

Wie setzen Sie Ihre Strategie konkret um?

Gerade im E-Commerce verfügen wir über ein einmaliges Set an Kompetenzen, um unser Geschäft weiterzuentwickeln. Als Mischkonzern bieten wir Unternehmen, die in den Onlinehandel einsteigen wollen, komplette Lösungen an. Sie umfassen unter anderem die Vermarktung eines Angebots via Direct Marketing, den Webshop, die Bezahlung, die Kommissionierung und natürlich die Lieferung der Ware und das Management der Retouren. So ermöglichen wir es unseren Kunden, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Für die Empfänger der bestellten Waren machen wir die Pakete intelligent. Sie können online wählen, wo und wann sie ihr Paket erhalten wollen: zu Hause, im Büro, an einem unserer neuen Paketautomaten, in einer PickPost-Stelle an Bahnhöfen und Tankstellen oder in einer unserer Poststellen.

Elektronischer Briefkasten, E-Commerce: Wird es die Schweizerische Post in einigen Jahren nur noch online geben?

Die physische Beförderung von Briefen und Paketen ist und bleibt unser Kerngeschäft. Doch wir ergänzen dieses Kerngeschäft mit neuen elektronischen Angeboten. Dazu gehört etwa das Document Lifecycle Management, mit dem wir Geschäftskunden ganze Kommunikationsprozesse abnehmen – von der Digitalisierung der eingehenden Post über deren Verwaltung und Archivierung bis hin zum physischen oder elektronischen Versand von Dokumenten. Wir wollen die Schweizerische Post zur Informationsdrehscheibe zwischen der physischen und der digitalen Welt machen. Oder anders gesagt: Die Post schafft zeitgemässe Angebote für die moderne Informationsgesellschaft mit erweiterten physischen, hybriden und elektronischen Dienstleistungen.

Wagt sich die Post dabei auch in neue Märkte ausserhalb ihres Kerngeschäfts?

Wir entwickeln innovative Dienstleistungen auch in neuen Geschäftsfeldern – allerdings ergänzen diese immer unsere Kernkompetenzen. Ein Beispiel dafür ist das elektronische Patientendossier vivates, das in den Kantonen Genf, Waadt und Tessin bereits eingesetzt oder erprobt wird. Auch vivates ist eine Informationsdrehscheibe – für Patienten, Ärzte, Pflegepersonal und weitere Akteure im Gesundheitswesen. Solche Lösungen beruhen auf der Expertise der Post als sichere Überbringerin von Informationen und auf ihrem grossen technischen Know-how.

Setzen auch PostFinance und PostAuto auf digitale Dienstleistungen?

PostFinance ermöglicht ihren Kunden mit elektronischen Services den einfachsten Umgang mit Geld. Sie ist die erste Bank, die ihren Kunden mit einer speziellen SIM-Karte das sichere mobile Login ins E-Banking via Smartphone ermöglicht. PostAuto stellt seinen Fahrgästen als Pioniertat mit dem kostenlosen Internetzugang während der Fahrt eine zeitgemässe Dienstleistung zur Verfügung.

Das klingt alles sehr technisch. Sind die Kunden als Menschen nicht mehr wichtig?

Ganz im Gegenteil. Hinter jeder technischen Lösung stehen die Bedürfnisse von Menschen, das heisst unserer Kunden. Bei allem, was wir tun, muss die Orientierung an unseren Kunden im Zentrum stehen. Das ist übrigens eine meiner Kernbotschaften an die Mitarbeitenden.

Was bedeutet Ihre Forderung nach Kundenorientierung konkret?

Entscheidend sind unsere Mitarbeitenden, die im direkten Kontakt mit den Kunden stehen: PostAuto-Chauffeure, Zusteller, Verkäuferinnen in den Poststellen, PostFinance-Beraterinnen, der Kundendienst und unsere Webmaster. Sie alle zusammen haben täglich etwa eine Million persönliche Kundenkontakte. Das ist eine riesige Chance, jedes Mal ein bleibendes positives Bild der Post zu hinterlassen und die Kundenbedürfnisse zu spüren. Die Rückmeldungen werden sehr ernst genommen. Kundenorientierung bedeutet für mich aber auch, in direkter Zusammenarbeit mit Geschäftskunden neue unternehmensübergreifende Lösungen zu entwickeln. In diesem Bereich haben wir einige innovative Projekte angestossen.

Sie wollen die Mitarbeitenden generell stärker fördern. Warum?

Unsere rund 62 000 Mitarbeitenden stammen aus 140 Nationen, arbeiten in mehr als 100 Berufen, sind unterschiedlich alt, haben die vielfältigsten Erfahrungen gemacht und gelernt, Aufgaben auf verschiedene Arten zu lösen. Sie sind zudem, wie unsere jährlichen Umfragen zeigen, hoch motiviert. Dieses enorme Potenzial wollen wir nutzen, um neue Angebote zu entwickeln und effizienter zu arbeiten. Dabei helfen uns die neuen Führungsgrundsätze, bei denen Eigenverantwortung, Beweglichkeit für das ganze Unternehmen und das Vertrauen in den Menschen im Zentrum stehen.

Hat die Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft Auswirkungen auf die Mitarbeitenden?

Die neue Postgesetzgebung verpflichtet die Post, mit den Gewerkschaften innert zwei Jahren einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zu verhandeln. Mir ist es ein grosses Anliegen, dass dabei die Interessen des Unternehmens wie auch die Anliegen der Mitarbeitenden beachtet werden. Mit dem neuen Gesamtarbeitsvertrag sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Post langfristig im Wettbewerb bestehen kann. Denn nichts sichert attraktive Arbeitsplätze dauerhafter als ein wettbewerbsfähiges und erfolgreiches Unternehmen. Dazu braucht es Flexibilität. Der Erfolg der Post beruht auf dem täglichen Einsatz und der hohen Dienstleistungsbereitschaft unserer Mitarbeitenden. Dafür danke ich ihnen herzlich.

Bei allem, was wir tun, muss die Orientierung an unseren Kunden im Zentrum stehen.

Wir entwickeln innovative Dienstleistungen auch in neuen Geschäftsfeldern – allerdings ergänzen diese immer unsere Kernkompetenzen.