Im Mittelpunkt steht der einfache Zugang zu unseren Dienstleistungen, nicht das Format.
Wir setzen auf das bewährte ­Nebeneinander von bisherigen und neuen Zugangsmöglichkeiten.

Im Gespräch

Bis im Jahr 2020 wird man an über 4000 Standorten in der Schweiz Postdienst­leistungen beziehen können.

Urs Schwaller, wann haben Sie das letzte Mal mit einem Einzahlungsschein am Schalter eine Rechnung beglichen? 

Ich erledige die meisten Zahlungen seit Jahren online. Da bin ich nicht anders als die grosse Mehrheit unserer Kundinnen und Kunden. Die Gewohnheiten haben sich verändert, und es gibt viele neue technologische Möglichkeiten. Wir sind alle mobiler geworden und wünschen uns deshalb Dienstleistungen, die wir unabhängig von Ort und Zeit dann nutzen können, wenn wir wollen. Die Post muss deshalb auch in Zukunft möglichst nah bei ihren Kundinnen und Kunden bleiben.

Was hat die Post unternommen, um den sich wandelnden Bedürfnissen und Angewohnheiten ihrer Kundinnen und Kunden Rechnung zu tragen? 

Susanne Ruoff: Heute kann man Postgeschäfte an sieben Tagen pro Woche und immer öfters auch rund um die Uhr erledigen. Möglich wird das durch die wachsende Anzahl My Post 24-Automaten oder dem schweizweiten Netz von Aufgabe- und Abholstellen bei Tankstellen und Bahnhöfen. Bei unserem Angebot pick@home holt der Paketbote Pakete zu Hause oder an einer anderen Adresse nach Wunsch ab. Weitere Beispiele sind die SMS-Briefmarke, die Sendungssteuerung bei eingeschriebenen Briefen und Paketen und der PostCard Creator. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch beim Zahlungsverkehr. PostFinance bietet heute bereits eine grosse Auswahl an Lösungen, mit denen Kundinnen und Kunden ihre Finanzen rund um die Uhr bewirtschaften können.

Die Kundenbedürfnisse und das Kunden­verhalten werden sich weiter verändern. Was bedeutet dies für das Postnetz?

Urs Schwaller: Im Mittelpunkt steht der einfache Zugang zu unseren Dienstleistungen, nicht das Format. Mit der traditionellen Poststelle kann die Post die heutigen Kundenbedürfnisse immer weniger erfüllen. Diese Entwicklung zeigt sich in den drastisch abnehmenden Mengen von Briefen, Paketen und Einzahlungen, die am Schalter aufgegeben bzw. getätigt werden. Wir haben deshalb im Herbst 2016 der Öffentlichkeit und der Politik kommuniziert, wie wir uns das Postnetz der Zukunft vorstellen und wie wir vorgehen wollen. Bei der Entwicklung des Postnetzes berücksichtigen wir die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gene­rationen, Regionen und Kulturen. Wir setzen auf das bewährte Nebeneinander von bisherigen und neuen Zugangsmöglichkeiten, die sich ergänzen. Einen hohen Stellenwert hat die Postagentur: Sie hat sich in den vergangenen zehn Jahren zunehmend als praktische und beliebte Zugangsmöglichkeit etabliert.

Was heisst das für die Grundversorgung?

Urs Schwaller: Wir wollen langfristig ein dichtes Netz an Zugangsmöglichkeiten aufrechterhalten, das kundenfreundlich und gleichzeitig finanzierbar ist. Bis im Jahr 2020 wird man an über 4000 Standorten in der Schweiz Postdienstleistungen beziehen können. Heute bieten wir insgesamt rund 3800 solcher Möglichkeiten. Die Post steht heute und in Zukunft für einen starken Service public ein. Der Umbau des Netzes ist eine grosse Chance für eine kundennahe und wirtschaftlich gesunde Post.

Wie wichtig sind dabei Gewinne für die Post?

Urs Schwaller: Die Post muss einen soliden Gewinn erwirtschaften. Man vergisst oft, dass die Post sich aus eigener Kraft weiterentwickelt und nicht abhängig von Finanzierungen durch den Bund ist. Das soll unbedingt auch in Zukunft so bleiben. Wir investieren jedes Jahr zwischen 400 und 500 Millionen Franken in die fortlaufende Entwicklung unserer Infrastruktur und unserer Dienstleistungen. Wir sind uns unserer grossen Verantwortung bewusst und wollen der Schweiz auch in Zukunft die beste postalische Grundversorgung bieten. Dazu brauchen wir Rahmenbedingungen, die unsere Weiterentwicklung ermöglichen.

Es gibt immer noch zahlreiche Kundinnen und Kunden, die den persönlichen Kontakt bevorzugen. Wie berücksichtigt die Post dieses Bedürfnis?

Susanne Ruoff: Wer persönlich bedient werden will, wird diesen Service auch in Zukunft nutzen können. Deshalb bauen wir das Agenturnetz aus. Postagenturen bieten zahlreiche Postdienstleistungen, haben längere Öffnungszeiten, und die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner stärkt die Infrastruktur im Dorf oder im Quartier. Wir wollen die Anzahl der Filialen mit Partnern bis im Jahr 2020 auf 1200 bis 1300 erhöhen und zudem 200 bis 400 ergänzende Servicepunkte wie Aufgabe- und Abholstellen oder My Post 24-Automaten schaffen. 

Schweizerinnen und Schweizer kaufen gerne online ein. Die Paketmenge nimmt deshalb stetig zu. Was macht die Post hier für Empfänger und Absender?

Susanne Ruoff: Ja, die Post profitiert von diesem Einkaufsverhalten. Die Paketmenge hat seit 2013 um 10,7 Prozent zugenommen. 2016 haben wir die Rekordmenge von 122 Millionen Paketen zugestellt. Wir haben neue Dienstleistungen entwickelt: Empfängerkunden sollen ihre Sendungen möglichst flexibel empfangen können. Deshalb haben wir zum Beispiel 310 zusätzliche Servicepunkte eingerichtet. Mit «Meine Sendungen» können Empfängerkunden ihre Sendungen noch vor dem Eintreffen steuern, sogar diejenigen, die ohne ihr Wissen an sie geschickt werden. Absenderkunden unterstützen wir so, dass sie ihr Geschäft noch erfolgreicher betreiben können. Zum Beispiel mit Dienstleistungen wie der Sonntags­zustellung oder der Gleichtagszustellung. Grundsätzlich wollen wir die Schweizer Unternehmen im nationalen und internationalen E-Commerce mit entsprechenden Dienstleistungen unterstützen.

Im klassischen Retailhandel ist Mobile Payment ein grosses Thema. Wie positio­­niert sich die Post in diesem Bereich?

Susanne Ruoff: Mobile Payment muss praktisch sein und einfach funktionieren. Doch um sich gegen den Einsatz von Bargeld durchzusetzen, braucht es für die Kundinnen und Kunden einen Zusatznutzen. TWINT ist mehr als eine Zahlungs-App. Mit TWINT können Geschäftskunden ihre eigenen mobilen Marketingkampagnen gestalten. Mit attraktiven Coupons oder digitalen Stempelkarten lässt sich der Umsatz gezielt steigern.

Für Geschäftskunden eröffnet TWINT also auch im Direct Marketing neue Möglichkeiten. Konkurrenziert man damit nicht den Brief?

Susanne Ruoff: Die Wirkung des Papiers ist nach wie vor gross. Die Broschüre bleibt auf dem Küchentisch liegen, und man kann sie auch zwei Tage später noch einmal in die Hand nehmen. Digitale Werbung hingegen ist schnell weggeklickt. Die Möglichkeiten mit TWINT ergänzen die Dienstleistungen der Post optimal und passen zu unserer Strategie, die physische Welt mit der digitalen zu verbinden. So berücksichtigen wir die Bedürfnisse all unserer Kundinnen und Kunden. Die grosse Herausforderung ist und bleibt allerdings, eine gute Balance zu finden zwischen dem Traditionellen und dem Neuen.

Sehen Sie weitere Möglichkeiten für neue Dienstleistungen oder Geschäftsfelder?

Susanne Ruoff: Wir wollen unsere Kernkompetenzen in die digitale Welt tragen. Dabei setzen wir uns vertieft mit Fragen rund um «Smart Mobility» auseinander. Wir prüfen zum Beispiel neue Formen der Zustellung wie Lieferroboter oder Drohnen und automatisierte Logistiklösungen. Oder das intelligente Paket, das den Kunden ­automatisch findet, weil es weiss, wo es der Kunde erhalten möchte. Eine andere Kernkompetenz der Post ist der vertrauliche Umgang mit sensiblen Daten. Wir begleiten Unternehmen bereits heute in der digitalen Transformation ihrer Geschäftsprozesse und übernehmen für Geschäftskunden zum Beispiel das gesamte Dokumenten­management, erfassen die darin enthaltenen Informationen, reichern diese an und integrieren sie in die Systeme des Kunden. Daneben unterstützen wir Unternehmen in der Automatisierung von Geschäfts­prozessen.

Stichwort digitale Transformation: Wie ist die Post davon betroffen? 

Urs Schwaller: Wir digitalisieren unser Geschäft auf drei Ebenen: Zum einen ergänzen wir das Kerngeschäft mit neuen digitalen Dienstleistungen. «Meine Sendungen» ist so ein Beispiel. Hier lassen wir den Kunden in den Zustellprozess eingreifen, indem er uns sagt, wann und wo er seine Sendung er­- halten möchte. Mit Plattformen im ­E-Health oder E-Voting eröffnet die Post ihren Kunden als Vertrauenspartner neue Möglichkeiten in der digitalen Welt und dringt so in neue Geschäftsfelder vor. In Zukunft werden wir elektronisch abstimmen und wählen können. Mit E-Voting fangen wir elektronisch auf, was physisch wegfällt. Und last but not least digitalisieren wir ­natürlich unsere eigenen Prozesse, etwa unse­re Betriebsprozesse in den grossen Sortierzentren, Beschaffungsprozesse oder Abläufe im Bereich Personal wie Rekrutierungen oder Austritte.