Negatives Zinsumfeld, Guthabengebühren, tiefe Renditen für Reinvestitionen, Kreditverbot, Kontenauflösungen – Hansruedi Köng, Leiter PostFinance, erklärt im Interview, wie PostFinance mit den aktuellen Herausforderungen umgeht.
Wir haben 2019 ein Betriebsergebnis von 240 Millionen Franken erwirtschaftet. Das sind 20 Millionen Franken oder rund 9 Prozent mehr als im Geschäftsjahr 2018.
In unserem Anlageportfolio verfallen nach wie vor gut verzinste Obligationen aus früher getätigten Anlagen, die wir im aktuellen Zinsumfeld nur noch zu sehr tiefen Renditen reinvestieren können. Die Margen bleiben deshalb unter Druck und das Zinsergebnis wird sich weiter verschlechtern. Der Rückgang dürfte sich aber etwas verlangsamen.
Die Zinsen an den Finanzmärkten sind derzeit sowohl im Franken als auch im Euro durchwegs negativ. Und der Markt scheint mittelfristig nicht von steigenden Zinsen auszugehen. Wir können die negativen Marktzinsen nicht mehr selber tragen und geben sie deshalb verstärkt an unsere Kundinnen und Kunden weiter. Dabei schauen wir die gesamte Kundenbeziehung an: Kunden, die eine breite Palette unserer Produkte, Dienstleistungen und Services nutzen, erhalten einen höheren Schwellenwert als Kunden, die ausschliesslich Barguthaben bei uns parkieren.
Ich gehe aktuell nicht davon aus, dass bei PostFinance dereinst auch Kleinsparer eine Guthabengebühr bezahlen müssen. Allerdings weiss niemand, wie die Welt in zwei, drei Jahren aussieht.
Für die Aufhebung des Kreditverbots braucht es die Zustimmung des Parlaments.
Wir wollen unsere Sparkunden zu Anlagekunden entwickeln und lancieren im Anlagebereich völlig neue – auch digital verfügbare – Lösungen. Privatkunden können dann zum Beispiel bereits ab 5000 Franken in ein E-Vermögensverwaltungsmandat investieren.
Die Aufhebung des Kreditverbots setzt eine Überarbeitung des Postorganisationsgesetzes voraus. Der Bundesrat hat diese Anfang September 2018 in Auftrag gegeben. Im Moment erarbeitet die Bundesverwaltung eine Vernehmlassungsvorlage und gestützt auf deren Ergebnisse wird der Bundesrat anschliessend den formulierten Gesetzesentwurf mit seiner Botschaft ans Parlament senden. Zum genauen Zeitplan kann ich mich nicht äussern. Was aber klar ist: Sollte sich das Parlament gegen die Aufhebung des Kreditverbots aussprechen, ist auch eine Teilprivatisierung vom Tisch. Denn an einer Bank, die keine Kredite vergeben darf, wird sich niemand beteiligen.
Natürlich hätten wir gerne so rasch wie möglich Klarheit. Denn dieser Entscheid ist bedeutend für die Zukunft von PostFinance. Doch wir konzentrieren uns auf jene Arbeiten, bei denen wir die Zügel in der Hand halten. Dazu gehört die konsequente Umsetzung unserer Digitalisierungsstrategie. Da haben wir in den vergangenen Monaten Lücken zu unseren Konkurrenten geschlossen. Und mit der erfolgreichen Lancierung und Positionierung der Hypothekenplattform Valuu haben wir unseren Pioniergeist und unsere Innovationskraft unter Beweis gestellt.
Die Geschäftsleitung erarbeitet mit dem Verwaltungsrat derzeit verschiedene Szenarien, wie wir PostFinance in Zukunft strategisch ausrichten wollen. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich gehe aber davon aus, dass wir bis im Sommer 2020 die Weichen für die Strategieperiode ab 2021 gestellt haben, und dann werden wir diese natürlich auch kommunizieren.
Der Negativzins, eine geldpolitische Massnahme der Zentralbanken, ist längst auf die Finanzmärkte übergeschwappt. Dass mittel- bis langfristig nicht mit steigenden Zinsen gerechnet wird, zeigt die negative Rendite der zehnjährigen Bundesobligation. In diesem Marktumfeld kann PostFinance die ihr anvertrauten Kundengelder nicht mehr gewinnbringend anlegen. Deshalb muss sie die negativen Marktzinsen verstärkt an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben.