«Unsere Ziele sind und bleiben ambitioniert»

Mit ambitionierten Zielen startete am 1. Januar 2021 eine neue, vierjährige Strategieperiode der Schweizerischen Post. Welche Schwerpunkte auf dem weiteren Weg zur Zielerreichung gesetzt werden, erklären der Verwaltungsratspräsident Christian Levrat und der Konzernleiter Roberto Cirillo in einem Doppelinterview.

Herr Levrat, Sie starteten am 1. Dezember 2021 als Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Post. Die Strategie wurde bereits im Jahr davor geschrieben und verabschiedet. Wie sehen Sie die Strategie?

Christian Levrat: Die Post ist vor allem aufgrund ihrer Logistikinfrastruktur und ihren Produkten und Dienstleistungen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Die Neuaufstellung mit der Strategie «Post von morgen» war ein wichtiger Schritt für den heutigen und zukünftigen Service public. Für mich war die zukunftsgerichtete Strategie ein wesentlicher Grund, mich für die Aufgabe des Verwaltungsratspräsidenten zu entscheiden. Durch neue Technologien werden Teile unseres Berufs- und Privatlebens immer schnelllebiger. Da gilt es, sich als Post frühzeitig richtig aufzustellen. Die Post muss mit qualitativ hochstehenden, flächendeckend verfügbaren Dienstleistungen einen substanziellen Beitrag zu einer grösseren Standortattraktivität und einer höheren Lebensqualität in der Schweiz beitragen. Ich denke, dass die Schweiz als Ganzes, ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie die hier ansässigen Unternehmen und Organisationen von der Post und ihrer Ausrichtung profitieren.

Wir entwickeln heute den Service public der Zukunft.

Roberto CirilloKonzernleiter

Die Strategieperiode dauert bei einem bundesnahen Unternehmen jeweils vier Jahre. Ein Jahr «Post von morgen» hat die Post hinter sich, drei Jahre noch vor sich. Wie langfristig wurde bei der Entwicklung der Strategie geplant?

Roberto Cirillo: Es wäre fahrlässig, wenn wir bei der Entwicklung einer Strategie nur die kommenden vier Jahre im Blick hätten. Konkret haben wir die Strategie mit dem Horizont 2030 vor Augen geschrieben. Wir müssen frühzeitig schauen, wie sich die Bedürfnisse und Gewohnheiten unserer Kundinnen und Kunden entwickeln und welchen Service public die Schweiz in Zukunft braucht. Dank des guten Starts der aktuellen Strategieperiode – strategisch und finanziell – haben wir mehrere der Voraussetzungen geschaffen, damit die Post in 10 und 20 Jahren immer noch der Motor für eine moderne Schweiz ist.

Was wurde konkret erreicht? Was sind die Hauptresultate des ersten Jahrs?

Roberto Cirillo: Die Post ist auf den 1. Januar 2021 organisatorisch und rechtlich neu strukturiert worden. Wir haben in einem von der Pandemie geprägten Umfeld die Bereiche Brief und Paket zusammengelegt. Dies ist eine der grössten Fusionen, die in den letzten Jahren in der Schweiz stattgefunden haben. Das öffnet Zusammen­arbeits- und Verbesserungsmöglichkeiten und schafft neue Perspektiven für die Kolleginnen und Kollegen des Briefbereichs. Hier werden wir auch am stärksten investieren. Wir haben unsere Dienstleistungen im Bereich E-Commerce signifikant ausgebaut und unsere Dienstleistungen für den Werbesektor mit digitalen Angeboten ergänzt. Zudem haben wir die Anbindung der Schweiz an die internationalen Warenströme verstärkt, vor allem mit einigen Akquisitionen in der Güterlogistik. Auch durften wir nach 18 Jahren die Preise der Briefe etwas anpassen. Das sichert eine bessere Finanzierung der postalischen Grundversorgung für die nächsten Jahre. Der neue Bereich Kommunikations-Services soll die Post-Infrastruktur der Schweiz in der digitalen Welt sicherstellen. Vor allem KMU sollen auch bei ihren sich digitalisierenden Geschäftsprozessen auf die Post als verlässliche Partnerin zählen können. Auch die Bevölkerung, Behörden und das Gesundheitswesen sind auf eine vertrauenswürdige digitale Infrastruktur angewiesen. Dazu haben wir auch erste Akquisitionen getätigt. Das Filialnetz wurde wie versprochen bei rund 800 Standorten stabilisiert und wird schrittweise geöffnet. Mit der Veräusserung von Swiss Post Solutions ist uns auch die angestrebte Fokussierung unseres Aktivitätenportfolios auf unseren Service public und unsere Aufgaben im Rahmen der Grundversorgung gelungen. Darüber hinaus haben wir noch einiges mehr gemacht. Alles mit einer kontinuierlich hohen Qualität – wir sind erneut zur besten Post der Welt gekürt worden. Und schliesslich haben wir ein beachtliches finanzielles Resultat erwirtschaftet.

graphic

Der Zugang zu den Dienstleistungen der Post wird durch die Digitalisierung vereinfacht. Das steht nicht im Widerspruch zur Nähe.

Christian LevratVerwaltungsratspräsident

«Zuverlässigkeit» und «Nähe» waren seit der Gründung gelebte Werte der Post. Bleibt «Nähe» auch im Zeitalter der Digitalisierung ein wichtiger Wert?

Christian Levrat: Die Digitalisierung ermöglicht der Post vor allem weitere Zugänge und Services für ihre Kundinnen und Kunden. Der Zugang zu den Dienstleistungen der Post wird durch die Digitalisierung vereinfacht. Aber das steht ja nicht im Widerspruch zur Nähe, die für uns nach wie vor ein zentraler und gelebter Wert ist. Die Post ist jeden Wochentag bei jedem Haushalt in der Schweiz – das soll so bleiben. Ein Thema, das eine hohe Bedeutung für die ganze Postorganisation hat, ist Kundenzentrierung. Wir müssen unsere Kundinnen und Kunden ins Zentrum unserer Aktivitäten stellen. Dabei spielen die physische und die digitale Nähe eine grosse Rolle. Unsere Herausforderung besteht darin, die vielfältigsten Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden auf dem Land und in der Stadt zu bedienen. Dafür sind unsere Filialen da und ergänzend unsere Filialen mit Partner, die My Post 24-Automaten, aber auch die digitalen Angebote.

Wir müssen die postalische Grundversorgung heute und in Zukunft aus selbst erwirtschafteten Mitteln leisten können.

Christian LevratVerwaltungsratspräsident

In der vergangenen Strategieperiode war die Digitalisierung eines der Schwerpunktthemen. Wie sieht es heute damit aus?

Roberto Cirillo: Der sichere, zuverlässige und vertrauliche Transport von schützenswerten Informationen ist unsere Raison d’Être. Während der Briefmarkt schrumpft, steigt dieses Bedürfnis im digitalen Zeitalter. Wir passen uns an und bieten unseren Kundinnen und Kunden entsprechende digitale Dienstleistungen, die sie einfach, sicher und mit Vertrauen in Anspruch nehmen können. Für uns bedeutet das, dass wir unsere Angebote digital signifikant erweitern werden. Wir schaffen dadurch auch die Voraussetzungen dafür, dass die Grundversorgung auch in 10 und 20 Jahren für die Schweiz einen relevanten Vorteil darstellt. Dazu müssen wir investieren und wachsen. Wir fokussieren unsere Investitionen in den Bereichen Logistik, E-Commerce und im Aufbau von digitalen Lösungen für KMU, für die Gesundheitsbranche und für Behörden.

Die Post konnte in den vergangenen Jahren den Grundversorgungsauftrag eigenwirtschaftlich erbringen. Wie sieht es zukünftig damit aus?

Christian Levrat: Wir müssen die postalische Grundversorgung heute und in Zukunft aus selbst erwirtschafteten Mitteln leisten können. Also ohne Subventionen oder Steuergelder. Nur so können wir uns die Freiheit sichern, im Rahmen des Postgesetzes unternehmerisch handeln zu können. Dafür braucht es Wachstum. Aber es geht nicht ums Wachstum per se. Wir wollen und müssen in unseren bestehenden und verwandten Kernbereichen unsere Infrastruktur für die Schweiz weiterentwickeln, als Reaktion auf Veränderungen durch den rasanten Wandel der heutigen Zeit. Dort, wo es für uns möglich ist, werden wir dies aus dem Inneren heraus bewerkstelligen. Doch wenn es sinnvoll und notwendig ist, ergänzen wir unsere Leistungen und Kompetenzen durch die sorgfältig ausgewählte Übernahme von externen Firmen.

Nachhaltigkeit ist längst kein reines Imagethema mehr. Es ist zu einem Wettbewerbsvorteil und vor allem zu einer Überlebensfrage für unseren Planeten geworden. Was kann die Post leisten?

Roberto Cirillo: Das Thema Nachhaltigkeit hat mehrere Facetten. Zum einen ist es tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil geworden. Über 90 Prozent der gesamten Briefvolumina und Pakete werden von Geschäftskunden verschickt. Und viele dieser Firmen positionieren sich als nachhaltige Unternehmen. Mit unseren klimafreundlichen Angeboten sind wir die bevorzugte Logistikpartnerin. Auch bei der zukunftsfähigen Mobilität sind wir mit unseren vernetzten und ökologischen Lösungen eine Vorreiterin. Im Jahr 2021 haben wir bereits in einigen Gebieten der Schweiz die Zustellung vollständig elektrifiziert. Bis 2030 wollen wir schweizweit auf alternative Antriebe umgestellt haben. Ab 2040 plant die Post, klimaneutral zu sein. Wir möchten Vorbild sein und einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Schweizer Klimaziele leisten. Wir haben wie alle anderen Unternehmen auch die Verantwortung, durch mutiges und engagiertes Handeln den nachkommenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.

graphic

Wir möchten Vorbild sein und einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Schweizer Klimaziele leisten.

Roberto CirilloKonzernleiter

Die Post ist die drittgrösste Arbeitgeberin der Schweiz. In ländlichen Regionen sogar die grösste. Welche Rolle spielen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Roberto Cirillo: Unsere Mitarbeitenden sind unser grösstes Kapital. Mit einer sehr hohen Identifikation mit der Post gehen sie an ihre unterschiedlichen Aufgaben heran und erfüllen sie. Allerdings sind die Aufgaben und die Berufsbilder bei der Post nicht starr; es braucht seitens der Mitarbeitenden Flexibilität und eine Bereitschaft, sich zu entwickeln. Aufgrund der Digitalisierung und Automatisierung sowie der neuen Produkte und Dienstleistungen verändern sich die Ansprüche an die Mitarbeitenden. Es braucht neue Kenntnisse und Fähigkeiten. Als Arbeitgeberin begleiten wir unsere Mitarbeitenden auf diesem Weg und bieten, wo nötig, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Aber auch im «war for talents» mischen wir mit, um die besten Nachwuchskräfte frühzeitig für die Post zu gewinnen. Viele Kolleginnen und Kollegen stehen kurz vor der Pension. Entsprechend hoch ist unser Bedarf an neuen Mitarbeitenden. Insbesondere im wachsenden IT-Bereich. Wir bieten vielfältige und spannende Aufgaben und Projekte, herausragende Anstellungsbedingungen und vor allem eine gute Perspektive für die Zukunft. Die Post ist eine Toparbeitgeberin.

Deshalb passte die Post ihre Preise an

Die Post will auch für künftige Generationen einen hochwertigen Service public erbringen und diesen aus eigener Kraft finanzieren. Eine von vier strategischen Stossrichtungen zur Erreichung dieses Ziels sind Preismassnahmen. Sie sichern die von den Kundinnen und Kunden geschätzte Dienstleistungsqualität nachhaltig: in allen Regionen der Schweiz, in den Städten und auf dem Land, für alle zum selben Preis. 2021 haben die Post und der Preisüberwacher eine neue einvernehmliche Regelung über Preis- und Sortimentsanpassungen bei den Briefen und Paketen unterzeichnet. Sie ist seit dem 1. Januar 2022 in Kraft.

Seit 18 Jahren sind die Briefpreise unverändert geblieben. Während die Anzahl der verarbeiteten Briefe seit 2002 um 40 Prozent massiv abgenommen hat, sind die strukturellen Kosten für die postalische Grundversorgung stark gestiegen: durch die allgemeine Teuerung sowie durch die Zunahme der Haushalte in der Schweiz und der zugehörigen Briefkästen. Zum Vergleich: Seit 2004 sind in der Schweiz die Löhne um rund 17 Prozent gestiegen, die Krankenkassenprämien um 45 Prozent.