Im Gespräch mit Christian Levrat und Roberto Cirillo 

«Die Post ist und bleibt die Post für die Menschen»

Seit 175 Jahren ist die Post für die Bevölkerung in der Schweiz da. Langfristig erfolgreich bleibt sie nur, wenn sie sich weiterentwickelt. Wir haben den VRP, Christian Levrat, und den CEO, Roberto Cirillo, zum Stand der Entwicklungen befragt.

Roberto, die Post setzt ihre Transformation weiter um. Wie steht die Post mit Blick auf das vergangene Jahr heute da?

Roberto Cirillo: Die Post macht heute vieles richtig und entwickelt sich in die richtige Richtung. Zugleich sehen wir: Die Kundenbedürfnisse ändern sich rasch und fortlaufend. Davon ist die Post in besonderem Masse betroffen. Die Digitalisierung entwickelt sich rasant. Die Paketmengen steigen zwar langfristig, aber das traditionelle Kerngeschäft mit Briefen und Einzahlungen am Schalter nimmt seit Jahren stark ab. Wir bauen deshalb heute das Kerngeschäft von morgen auf. Das tun wir mit unserer Strategie «Post von morgen», mit einem Zielhorizont von 2030+. Auf dem Weg zur Post von morgen haben wir in den vergangenen drei Jahren sehr viel erreicht und eine wichtige Basis für die Zukunft gelegt, auf der wir nun weiter aufbauen. Konkret haben wir im Interesse einer zukunftsfähigen Rundum-Dienstleistung für unsere Kundinnen und Kunden unsere Logistikorganisationen zusammengelegt. Wir haben unsere Kapazität deutlich ausgebaut und nutzen die Synergien. Beispielhaft dafür ist der Einbau einer Paketsortiermaschine im Briefzentrum Härkingen. Diese Anlage haben wir im letzten September in Betrieb genommen.

graphic

Die Kundenbedürfnisse ändern sich rasch und fortlaufend.

Roberto CirilloKonzernleiter

In der Güterlogistik sind wir national und international gewachsen und gehören heute zu den wichtigsten Dienstleistern in der Schweiz. Im E-Commerce und im Online-Direct-Marketing haben wir unsere Kompetenzen ebenfalls deutlich ausgebaut. Auch im Werbemarkt können wir nun relevante crossmediale Angebote auf den Markt bringen. Unser Joint Venture mit Groupe La Poste, Asendia, ist zu einem der wichtigsten Anbieter in der internationalen E-Commerce-Logistik geworden. Und wir haben uns digital stark positioniert. Unsere Kundinnen und Kunden können bereits heute dank ePost entscheiden, welche Post sie analog im Briefkasten und welche sie digital an jedem Ort der Welt empfangen wollen. Seit dem letzten Jahr nutzen auch Kantone wie etwa Bern, St.Gallen und Luzern unsere Plattform, um ihre Informationen direkt in den digitalen Briefkasten zu schicken. Wir spielen eine wichtige Rolle im traditionell sehr analog funktionierenden Gesundheitswesen und haben nun die Grundlagen dafür gelegt, ein einheitliches, vertrauenswürdiges digitales Patientendossier einzuführen. Und wir haben 2023 erstmals sowohl Wahlen als auch Abstimmungen auf digitalem Weg ermöglicht. Die Post ist also zunehmend innovative Treiberin in der immer stärker vernetzten Schweiz. Sie ist Brückenbauerin zwischen digitalen und analogen Dienstleistungen für Menschen, Organisationen und Behörden.

Das klingt, als liefe alles rund und und als wäre die Post auf Kurs?

Roberto Cirillo: Wir sind zwar grundsätzlich mit unserer Strategie auf Kurs, dennoch gibt es im anspruchsvollen Marktumfeld auch Bereiche, in denen wir weniger gut vorangekommen sind als geplant. Beispielsweise schreitet die Netzöffnung weniger schnell voran als geplant. Und die Aufbauphase mit entsprechenden Investitionen im Bereich Kommunikations-Services, sprich digitale Dienstleistungen, dauert länger als wir es uns 2020 vorgestellt hatten.

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: die wirtschaftlich und regulatorisch schwierigen Rahmenbedingungen. Sie verunmöglichen es, rasch skalierbare und profitable Angebote anzubieten. Beispielsweise im Bereich E-Health, wo die regulatorischen Vorgaben und die Marktkomplexität sehr hoch sind. Und zweitens gibt es im Bereich Kommunikations-Services nicht beliebig viele passende Unternehmen am Markt, die zur Post und ihrer Strategie passen – wir prüfen jede Akquisition sorgfältig. Ich bin überzeugt, dass die Entwicklung hin zum Digitalen ein unverzichtbarer Bestandteil des Service public ist, weil die Menschen die Vorteile digitaler Angebote immer häufiger nutzen. Ein Service public muss den Alltag der Mehrheit der Menschen im Land prägen und erleichtern. Denn eines ist klar: Service public muss zeitgemäss sein. Sonst ist es kein Service public. Der Alltag der Menschen in der Schweiz ist digital geworden. Darum soll und muss auch der Service public der Post digital werden.

graphic

Die Post ist eine verlässliche Partnerin.

Christian LevratVerwaltungsratspräsident

Christian, muss die Post an der Qualität ihrer Dienstleistungen arbeiten?

Christian Levrat: Trotz der von Roberto beschriebenen Herausforderungen konnten wir den Kundinnen und Kunden in der Schweiz auch 2023 gewohnt qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten. Unsere Qualität wurde im letzten Jahr vom Weltpostverein mit Gold ausgezeichnet. Wir wurden unter den Postgesellschaften von 172 Ländern zur besten Post der Welt gekürt. Und das zum siebten Mal in Folge. Das zeigt, dass wir mit unseren Dienstleistungen höchste Qualität erbringen und mit herausfordernden Rahmenbedingungen umgehen können. Dies insbesondere dank dem grossartigen Einsatz unserer Mitarbeitenden. Die Post ist eine verlässliche Partnerin – auch in unruhigen Zeiten, die von Klimawandel, unsicherer geopolitischer Lage, rasanten technologischen Veränderungen und knapper werdenden Haushaltsbudgets geprägt ist. Und das nachhaltig. Wir übernehmen bereits heute Verantwortung für die Umwelt von morgen und verfolgen ein ambitioniertes Klimaziel. In den Städten Bern und Zürich stellen wir seit Anfang 2023 nur noch elektrisch zu, in Genf seit Mitte Januar 2024, und weitere Städte wie Basel, Biel, Winterthur und Luzern werden bald folgen. Die Post betreibt schon heute die bei Weitem grösste elektrische Fahrzeugflotte der Schweiz.

Mit Blick auf die Zukunft bin ich zuversichtlich, dass sich unser Ergebnis in den nächsten Jahren verbessern wird. Das vor allem dank PostFinance. Mit der Wende hin zu positiven Leitzinsen haben sich bereits heute relevante Faktoren verändert. Dennoch, die Entwicklung in unserem Kerngeschäft bleibt eine Herausforderung. Das Brief- und Schaltergeschäft nimmt ab, weil die Nachfrage nach unserem traditionellen Kerngeschäft abnimmt. Und diesen Rückgang können wir noch nicht ausreichend mit dem Geschäft im digitalen Bereich, in der Logistik oder mit der Netzöffnung kompensieren. Es braucht also einen Effort unsererseits. Mit dem jetzt laufenden Transformationsprozess haben wir damit gestartet. Wir passen uns an, sind physisch und digital für unsere Kunden da und entwickeln neue Dienstleistungen für die Schweizer Bevölkerung.

Die Post ist Brückenbauerin zwischen digitalen und analogen Dienstleistungen.

Roberto CirilloKonzernleiter

Roberto, wie gut ist die Post bereits heute für die Herausforderungen der Zukunft aufgestellt?

Roberto Cirillo: Die Post ist seit 175 Jahren für die Bevölkerung in der Schweiz da. Das wird sie weiterhin sein. Die Post ist und bleibt die Post für die Menschen. Mit dem finanziellen Resultat und der finanziellen Bilanz 2023 arbeiten wir intensiv daran, die Strategie für die Jahre 2025 bis 2028 weiterzuentwickeln. Die Richtung der aktuellen Strategie stimmt. Wir passen sie dort an, wo sich Handlungsbedarf aufgrund sich ändernder Voraussetzungen zeigt. Konkret kümmern wir uns unter anderem um die Frage, wie wir das Netz weiterentwickeln können, damit es den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden besser gerecht wird. Wir wollen ins Netz investieren, um zeitgemässe Technologien zum Einsatz zu bringen. Gleichzeitig wollen wir so die Relevanz für unsere Kundinnen und Kunden wie auch die Effizienz steigern. So können wir die Finanzierbarkeit eines schweizweiten, flächendeckenden Filialnetzes an Post-Zugangspunkten auch in Zukunft gewährleisten. Im Kern arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Post auf einer starken Basis in die Zukunft zu führen, mit zeitgemässen und zukunftsorientierten Angeboten. Für unsere Kundinnen und Kunden, für unsere Mitarbeitenden, für unseren Eigner, für die Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft.

Christian, wie zuversichtlich schaust du als Verwaltungsratspräsident auf die Zukunft der Post?

Christian Levrat: Um tatsächlich mit Zuversicht in die Zukunft schauen zu können, brauchen wir veränderte regulatorische Rahmenbedingungen und den notwendigen Handlungsspielraum. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne eine grundlegende Reform wird das System Post in Zukunft nicht mehr aus eigener Kraft und ohne Steuergelder finanzierbar sein. Roberto hat vor drei Jahren gesagt: «Wir wollen uns nicht in ein Museum verwandeln.» Das kann ich heute mehr denn je unterschreiben. Wir wollen eine starke Post für eine starke Schweiz. Wir wollen relevant sein. Für unsere Kundinnen und Kunden. Für unsere Mitarbeitenden. Für die Schweiz.

Wir brauchen veränderte regulatorische Rahmenbedingungen.

Christian LevratVerwaltungsratspräsident

Was wären denn zentrale Elemente veränderter regulatorischer Rahmenbedingungen?

Christian Levrat: Aus meiner Sicht sind das drei Punkte. Zum Ersten ist zentral, dass die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen die Bedürfnisse im Bereich der Digitalisierung und des digitalen Lebens widerspiegeln. Dazu zählt, dass man sowohl einen physischen als auch einen digitalen Briefkasten hat und selbst entscheiden kann, welche Post man physisch und welche man ortsunabhängig digital empfangen will. Zum Zweiten muss aus meiner Sicht gewährleistet sein, dass die Post das Filialnetz weiterentwickeln kann, wir also die Möglichkeiten der Digitalisierung und auch der Automatisierung vollumfänglich zum Wohl unserer Kundinnen und Kunden nutzen können. Und als Drittes muss das Thema des Zahlungsverkehrs geklärt werden. Insbesondere der Zahlungsverkehr mit Münzgeld ist defizitär. Hier muss der Gesetzgeber eine Lösung für die Finanzierbarkeit finden.

Deshalb passt die Post ihre Preise an

Die Post will auch für künftige Generationen einen hochwertigen und eigenfinanzierten Service public erbringen. Dafür muss die Post aus eigener Kraft Investitionen tätigen, um ihre qualitativ hochstehenden Dienstleistungen auch in Zukunft anbieten sowie auf die sich verändernden Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Dazu gehören zum Beispiel Investitionen in die Paketsortierung und die Digitalisierung oder die Elektrifizierung und Modernisierung der Zustellflotte.

Ausserdem verursachen auch die Rückgänge bei den Briefmengen und beim Schaltergeschäft sowie die Teuerung erhebliche Mehrkosten, die die Post zu grossen Teilen selbst trägt. Vor diesem Hintergrund sind Effizienzmassnahmen und Preiserhöhungen unumgänglich.