Interview mit Christian Levrat und Roberto Cirillo
«Die Post muss fit bleiben – auch für die Zeit nach 2030.»
Die Post schliesst das Geschäftsjahr 2024 mit einem soliden Ergebnis ab. Verwaltungsratspräsident Christian Levrat und Noch-Konzernleiter Roberto Cirillo erklären im Interview, wie die Strategie «Post von morgen» zu diesem Erfolg geführt hat – und wie die Post auch in Zukunft für die Menschen in der Schweiz relevant bleiben will.
Mit dem Abschluss des Geschäftsjahres 2024 enden die ersten vier Jahre der Strategieperiode«Post von morgen» – wo steht die Post heute im Vergleich zu 2020?
Roberto Cirillo: Die Post ist heute eine andere Post als vor vier Jahren. Es ist uns gelungen, das Unternehmen neu auszurichten und ein solides Fundament zu schaffen für die Zukunft. Die Post ist heute finanziell kerngesund, trotz eines schwierigen Marktumfelds und anhaltend negativer Trends im historischen Geschäft mit Briefen und Bareinzahlungen.

Wir haben die Grundlage für eine effiziente Logistik und für vertrauensbasierte digitale Dienstleistungen gelegt.
War das denn vorher nicht so?
Als wir die Strategie im Jahr 2019 entwickelten, befand sich das System Post in einer Schieflage. Die Entwicklung von Umsatz und EBIT zeigte seit Jahren in die falsche Richtung, und die Post befand sich auf einem nicht nachhaltigen Schrumpfweg. Wichtige Treiber unseres historischen Erfolgs wie die Briefmengen und das Schaltergeschäft brachen weg, die Negativzinsen zeigten die Grenzen des eingeschränkten Geschäftsmodells von PostFinance schonungslos, die Digitalisierung und die veränderten Kundenbedürfnisse erforderten ganz andere postalische Angebote. Hätten wir so weitergemacht wie bisher, wären wir in wenigen Jahren nicht mehr in der Lage gewesen, unsere Dienstleistungen aus eigener Kraft zu finanzieren. Unser Ziel war es deshalb, unser Geschäft grundlegend zu transformieren. Die Post ist ein integriertes System, und dementsprechend mussten wir auf mehreren Ebenen und in mehreren Dimensionen gleichzeitig arbeiten. Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Trend zu brechen: Mit der Zusammenlegung der Bereiche Brief und Paket haben wir neue Skaleneffekte herbeigeführt. Wir sind organisch gewachsen und haben in Bereichen mit wachsender Nachfrage Akquisitionen getätigt – physisch, zum Beispiel in der Güterlogistik, und digital. Wir haben die Preise angepasst und das Unternehmen besser und effizienter aufgestellt. Und wir haben massiv investiert, um unseren Kundinnen und Kunden die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und damit die erwartete hohe Qualität gewährleistet. Unser Ziel war und ist es, die Grundversorgung langfristig aus eigener Kraft sicherstellen zu können.
Was für einen Stellenwert hat dabei das Jahr 2024?
Der Gegenwind war in den ersten Jahren meiner Amtszeit stark. Die weltweite Pandemie, die geopolitische Lage, aber auch die Teuerung und Lieferengpässe forderten uns stark. Und aufgrund regulatorischer Einschränkungen konnten wir nicht immer schnell genug reagieren. Das erkennt man auch an den jährlich schwankenden Ergebnissen der Jahre 2020 bis 2024. Aber der Negativtrend wurde schnell gebrochen. 2024 konnten wir vor allem in unseren logistischen Kernaktivitäten eine hervorragende Leistung erbringen. Das beweist definitiv, dass die Post mit der nötigen Flexibilität und den nötigen Freiräumen gesund bleiben kann.
Welche Faktoren führten zum positiven Ergebnis?
Es war eine Kombination aus verschiedenen Massnahmen entlang unserer Strategie, die 2024 gleichzeitig ihre Wirkung enfalteten. Wir haben von besseren Prozessen, Automatisierung und besserer Auslastung der Ressourcen profitiert. Die Preisanpassungen haben gewirkt. Mit den internen Effizienzmassnahmen haben wir unsere Strukturen und Abläufe optimiert. Und die Akquisitionen brachten neue Kompetenzen, Skaleneffekte und Deckungsbeiträge.

Wir wollen langfristig sinnvolle Lösungen finden, anstatt in kurzfristigen Zielkonflikten zu denken.
Die Strategieumsetzung steht immer wieder im Zentrum öffentlicher Debatten. Insbesondere die Diskussion um die Zukunft der Filialen bewegt die Gemüter. Wie gehen Sie damit um, Herr Levrat?
Christian Levrat: Öffentliche Debatten gehören zur Post wie die Post zur Schweiz. Gerade bei den Filialen zeigt sich, wie schnell sich Kundenbedürfnisse verändern: Die Briefpost nimmt weiter ab, und auch die Gewohnheiten im Zahlungsverkehr haben sich radikal verändert. Darauf reagieren wir, indem wir unser Filialnetz umwandeln, neue Angebote entwickeln und die Filialen für andere Dienstleister und Behörden öffnen. Das geschieht immer im engen Dialog mit den Gemeinden. Die Zufriedenheit mit unserem Format «Filiale mit Partner» ist beispielsweise sehr hoch.
Gleichzeitig werden auch die Investitionen hinterfragt. Will die Post um jeden Preis wachsen?
Wir verfolgen grundsätzlich eine Wachstumsstrategie, tun dies aber sehr gezielt. So investieren wir fokussiert in unsere Kernbereiche Logistik und Kommunikation entlang den sich verändernden Kundenbedürfnissen. In den letzten Jahren haben wir eine Reihe neuer Infrastrukturen und Kompetenzen aufgebaut.
Können Sie Beispiele nennen?
In der Güterlogistik vereinfachen wir mit dem Zukauf von Logistikunternehmen im grenznahen Ausland den Warenverkehr für unsere Kunden. Auch im Bereich der Cybersicherheit haben wir investiert. Denn die vertrauenswürdige, also absolut sichere und vertrauliche Übermittlung von Informationen – Stichwort Postgeheimnis – ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil unserer DNA. Mit der Digitalisierung wollen wir unseren Kundinnen und Kunden dieselbe Sicherheit garantieren.
Das Umfeld bleibt anspruchsvoll, und alle haben grosse Erwartungen an die Post. Wie ist die Post als Konzern für die kommenden Jahre aufgestellt?
Christian Levrat: Wir verfolgen unsere Strategie konsequent weiter: Insgesamt werden wir uns wie gesagt auch in den nächsten Jahren entlang den sich verändernden Kundenbedürfnissen weiterentwickeln. Wir wollen dort wachsen, wo die Nachfrage nach spezifischen Dienstleistungen oder Produkten steigt, und wir werden uns dort anpassen, wo die Nachfrage abnimmt. Das macht uns fit für die Zukunft. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Kundinnen und Kunden auch morgen auf einen starken und nachhaltigen Service public zählen können, und zwar in der physischen wie auch in der digitalen Welt. Mit Blick auf das Jahr 2030 erwarten wir zudem eine Weichenstellung des Bundes, der definieren wird, welche unserer Dienstleistungen in der Grundversorgung weiterhin erbracht werden sollen und in welchem Umfang.
In der neuen Strategieperiode, die am 1. Januar 2025 begonnen hat, wird der Konzern mit sieben Ambitionen gesteuert. Eine davon ist «Kundenzentrierung». Hat die Post hier Aufholbedarf?
Roberto Cirillo: Wir kennen vor allem unsere Geschäftskunden sehr gut. Mit ihnen arbeiten wir eng zusammen, verstehen ihre Geschäftsmodelle und ihre Bedürfnisse. Das hilft uns, für sie bedarfsgerechte Angebote zu entwickeln, die ihnen im Alltag einen Mehrwert bringen. In Zeiten des rasanten Wandels und der fortschreitenden Digitalisierung ist es aber auch essenziell, den Fokus stärker auf die Beziehungen zu unseren Privatkundinnen und Privatkunden sowie die KMU zu legen. Sie sollen Zugang zu allen relevanten Dienstleistungen erhalten und von einer umfassenderen Betreuung profitieren. Wir müssen sie und ihre Bedürfnisse besser verstehen und entsprechende Dienstleistungen anbieten.
Herr Cirillo, Sie treten Ende März von Ihrer Funktion als CEO zurück. Was wünschen Sie der Post für die Zukunft?
Wir haben in den letzten Jahren eine solide und zukunftsfähige Post geschaffen. Die Finanzen sind im Lot, und die Qualität unserer Dienstleistungen ist sehr hoch. Ein neues, kompetentes Management auf mehreren Stufen des Unternehmens hat diese Transformation mitgetragen und steht in der Verantwortung. Wie gesagt: Die Post ist heute definitiv eine andere als vor vier Jahren – die Post von morgen ist schon heute Realität. Für mich ist das der ideale Moment, um zu gehen. Ich verlasse eine gesunde Post, die eine klare Ausrichtung für die Zukunft hat. Ich bin unglaublich stolz auf das, was wir zusammen geleistet haben. Mein grosser Dank geht an den Bundesrat, den Verwaltungsrat und die Konzernleitung, vor allem aber an alle Mitarbeitenden, die täglich die beste Post der Welt verkörpern. Für die Zukunft wünsche ich der Post, dass sie weiterhin an sich und ihre unverzichtbare Rolle für den Zusammenhalt und den Fortschritt der Schweiz glaubt, dass sie am eingeschlagenen Kurs festhält und sich dabei konsequent strategiekonform entwickelt, kulturell als «eine Post» agiert und vor allem die gesetzlichen Rahmenbedingungen erhält, die sie für die Weiterentwicklung ihres Geschäfts braucht.
Herr Levrat, was für eine Post wünschen Sie sich in vier Jahren?
Christian Levrat: Ich wünsche mir eine Post, die auch nach 2030 im Alltag der Menschen in der Schweiz eine relevante Rolle spielt. Ein modernes, innovatives Unternehmen, das nah an seinen Kundinnen und Kunden ist und zeitgemässe Dienstleistungen bietet. Dienstleistungen entlang unserem Kerngeschäft, die einem echten Bedürfnis entsprechen, einfach nutzbar sind und bei denen Daten absolut sicher sind.
Interview mit Christian Levrat, Verwaltungsratspräsident, zu den sieben strategischen Ambitionen Interview mit Alex Glanzmann, Leiter Finanzen, zum finanziellen Ergebnis Interview mit Christian Plüss, Delegierter der Konzernleitung für Nachhaltigkeit, zum Nachhaltigkeitsergebnis